Als wir zu Beginn des Projekts „War in European Memory“ unsere ersten Ideen sammelten, war mir noch nicht ganz klar, wie vielschichtig und herausfordernd die Auseinandersetzung mit Kriegserinnerung im europäischen Raum sein würde. Inzwischen weiß ich: Museen und Gedenkorte sind keine neutralen Speicher der Vergangenheit – sie sind Orte, an denen Geschichte aktiv erzählt, interpretiert und vermittelt wird. Und diese Erzählungen unterscheiden sich mitunter gravierend.
Gemeinsame Fragen, viele Perspektiven
Im Zentrum unseres Projekts stand die Frage, wie Krieg in europäischen Gedächtnisräumen dargestellt wird. Gemeinsam entwickelten wir einen Katalog an Leitfragen, der uns als roter Faden diente:
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Welches Narrativ dominiert die Ausstellung?
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Welche Rolle spielen Einzelpersonen oder kollektive Gruppen?
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Welche Funktion haben Objekte, Bilder, Dokumente?
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Und nicht zuletzt: Was wird nicht erzählt?
Jede*r von uns widmete sich einem Ort oder Museum und brachte zusätzlich eigene Perspektiven und Schwerpunkte ein. Daraus entstand eine vielstimmige Sammlung von Eindrücken, Analysen und Fragen – alle nachzulesen auf unserer Website: 👉 warineuropeanmemory.the-public-historian.de
Orte der Erinnerung – und der Spannung
Besonders eindrücklich war für mich, wie unterschiedlich Erinnerung inszeniert werden kann. Ein paar Beispiele:
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Im Militärhistorischen Museum der Bundeswehr (Dresden) steht nicht ein zentrales Narrativ im Vordergrund, sondern eine Vielzahl paralleler Deutungen – ein Ansatz, der zur Reflexion anregt, aber auch irritieren kann.
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Das Mauthausen Memorial setzt stark auf die Wirkung persönlicher Objekte: Kleidung, Fotos, Gegenstände der Gefangenen. Diese Dinge erzählen keine abstrakten Geschichten, sondern unmittelbare, menschliche Schicksale.
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Das Museum in Majdanek wiederum schafft eine sehr eindringliche Atmosphäre durch Bilder, Textfragmente und bewusst gesetzte Leere. Die emotionale Wirkung steht hier im Vordergrund – und das gelingt eindrucksvoll.
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Im Warsaw Rising Museum werden persönliche Erzählungen mithilfe moderner Technik vermittelt: Videos, interaktive Stationen, Zeitzeugentelefone. Das Ergebnis ist eine sehr direkte, fast immersive Erfahrung.
All diese Orte eint: Sie vermitteln nicht einfach Wissen – sie erzeugen eine Haltung. Man wird nicht nur informiert, sondern gezielt in emotionale, politische oder moralische Denkprozesse hineingezogen.
Was ich mitgenommen habe
Für mich als Historikerin war dieses Projekt eine wichtige Erfahrung.
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Erinnerung ist gemacht. Sie ist nie selbstverständlich, sondern das Ergebnis bewusster Auswahl und Gestaltung.
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Vermittlungsformen sind entscheidend. Objekte, Bilder, Texte, Räume – sie alle erzählen mit.
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Es gibt kein neutrales Museum. Jedes Ausstellungskonzept folgt einer Logik, einem Ziel – und manchmal auch einer politischen Absicht.
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Multiperspektivität ist wertvoll. Gerade durch die vielen Perspektiven im Projekt ist mir klar geworden, wie bereichernd es ist, verschiedene Sichtweisen nebeneinander stehen zu lassen.
Ein Blick in die Zukunft
Das Projekt hat mir nicht nur neue Erkenntnisse gebracht, sondern auch Lust gemacht, weiter an diesen Fragen zu arbeiten:
Wie lässt sich Geschichte verantwortungsvoll erzählen?
Wie können digitale Formate Erinnerung erweitern – oder verzerren?
Und wie gehen wir mit Leerstellen, Ambivalenzen und Widersprüchen um?
Ich hoffe, dass unsere Beiträge zum Nachdenken anregen – nicht nur über vergangene Kriege, sondern auch über die Verantwortung, die mit ihrer Erinnerung einhergeht.
War in European Memory war ein Projekt von Memories of Europe, ein internationales Projekt mit Beteiligung der Universitäten Luzern, Köln, FU Berlin, Sorbonne Nouvelle/Paris III, Radboud University Nijmegen und Warschau sowie dem ZZF Potsdam.